Der Erste Kunstwissenschaftliche Congress – ein Vorreiter für Fragen der Konservierung und Restaurierung

29. Februar 2024

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Beate Murr, MAK Restauratorin

Schon sehr früh beschäftigte sich das MAK mit Fragen zur Bewahrung von Kunstwerken. Vor über 150 Jahren setzte der Gründungsdirektor des MAK, ehemals K. K. Österreichisches Museum für Kunst und Industrie, Rudolf Eitelberger hier Maßstäbe und widmete Fragen zu Konservierung und Restaurierung einen Schwerpunkt beim Ersten Kunstwissenschaftlichen Congress, den er parallel zur Wiener Weltausstellung initiierte. MAK Restauratorin Beate Murr blickt zurück auf damalige Erkenntnisse, die noch heute Gültigkeit besitzen.

Der Erste Kunstwissenschaftliche Congress (1.9.–4.9.1873) stellte Weichen für die gesamte Kunstgeschichte und war Thema der Tagung 150 Years After am 6.10.2023 im MAK (Siehe dazu auch Blogbeitrag 150 Years After). Bei diesem Kongress wurden wesentliche Themenbereiche der Kunstwissenschaften erörtert, insbesondere auch essenzielle restauratorische Fragestellungen. Viele der damals diskutierten Themen wie Klimastabilität, Lichtschutz, minimalinvasive Eingriffe und konservatorisch richtige Aufbewahrung sind auch heute Brennpunkt von Entscheidungsfindungen. Die Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken und Kulturgut wurde zu einem eigenen Wissenschaftszweig bzw. Studienzweig und ist in einem weiter gefassten Zusammenhang als Teil der Menschenrechte definiert.

Elektronisches Skioptikum im ehemaligen Vortragsaal des MAK, in dem der Erste Kunstwissenschaftliche Congress stattfand, um 1900
© Rudolf Lechner

Die damaligen Referate und Diskussionen sind umfassend dokumentiert in der Publikationsreihe „Mittheilungen des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie “ ( Ausgabe VIII­–IX), aus der sich sämtliche Originalzitate im Folgenden speisen.

Das Eröffnungsreferat des Kongresses hielt Friedrich Lippmann (1838-1903), seit 1867 Mitglied des Verbands Österreichischer Museen und Korrespondent des K.K. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, ab 1868 Kustos des Museums und enger Mitarbeiter Eitelbergers. Eine seiner Aufgaben war es, durch europäische Länder zu reisen und Sammlungsobjekte für das neu gegründete Museum zu akquirieren. In seinem Referat stellte er fest, dass ihm die „Conservirung“ der Gemälde wesentlich lieber sei als deren Restaurierung.

Der Begriff Konservierung bedeutet das Bewahren eines Kunstwerks oder Kulturguts in seinem derzeitigen Zustand. Es werden nur Maßnahmen getroffen, die den Erhalt sichern. In der präventiven Konservierung werden jene Maßnahmen getroffen, die die Alterung möglichst verzögern und minimieren sollen, auch wenn sie nicht vollständig zu verhindern ist. Hingegen bedeutet die Restaurierung das Versetzen eines Kunstwerks in einen nicht mehr vorhandenen Zustand, um das Aussehen, die künstlerische Wirkung, die Lesbarkeit oder die Funktionalität so weit als möglich wiederherzustellen.

Lippmann kritisierte, dass sehr viele Gemälde durch sachliche Unkenntnis und Unverstand vernichtet wurden:

„Wären die Bilder, soweit sie nicht überhaupt vernichtet worden sind, wenigstens sich selbst überlassen geblieben, so könnten wir wohl an den meisten von ihnen als an wirklichen, wenn auch beschädigten originalen Werken uns erfreuen - im vorigen Jahrhundert hat man sie, wie man es nannte, formirt und gestimmt, später wurde man liebevoller und hat sie blos noch geputzt und restaurirt.“

Vielfach würden die Gemälde eher renoviert als konserviert, da die Restauratoren oft Maler seien, die ihren Beruf verfehlt hätten und bei fragwürdigen Lehrern einen „geheime Chymie“ gelernt hätten, ohne zu wissen oder zu hinterfragen, was sie machten. In drastischen Sätzen schilderte er:

„Mir selbst hat einmal ein derartiger Mann gesagt: "Wissen Sie, bei mir ist es so, entweder
das Bild kann noch gut werden, dann kriegen Sie es brillant zurück, oder es ist Nichts damit zu machen, dann wird es hin und Sie kriegen die blosse Leinwand oder das Brett." Und ich kann Sie versichern, der Mann lebt noch und hat stets genug zu thun.“

Lippmann plädierte für minimale Eingriffe und „eminente technische und naturwissenschaftliche Kenntnisse, denn ohne Bekanntschaft mit den Gründen der Veränderung der Farbstoffe des Holzes oder der Leinwand werde ich diese Veränderung selbst nicht beheben, oder hintanhalten, können. Bis heute wird dies Alles aber lediglich empirisch und wohl kaum je auf wissenschaftlicher Grundlage betrieben.“

Für eine Ergänzung nicht vorhandener Bereiche bedürfe es ausgezeichneter kunstwissenschaftlicher Kenntnis, aber auch dann dürfe der Restaurator nicht weiter gehen als absolut nötig, um die Störung des Gesamteindrucks aufzuheben. Originale Bereiche sollten nicht übermalt werden, retuschierte Fehlstellen sollten als solche erkennbar sein.

Lippmann forderte eine Kunstbehörde für die Ausbildung wissenschaftlich und technisch geschulter Restauratoren, die auch konservatorisch-restauratorische Eingriffe anordnen und die Durchführung leiten und überwachen sollte. Ohne Wissen dieser Instanz dürfte nichts restauriert werden.

Immer wieder wurde Frankreich als Vorbild genannt, wo im Privatbesitz befindliche Denkmale enteignet würden, wenn sie von einer Kommission als historisches Monument erklärt wurden und eine Enteignung zu deren Erhalt nötig wäre.

Auch die präventive Konservierung war Lippmann ein großes Anliegen.:

„Die Sorge für eine sachgemässe und verständige Herstellung bildet aber natürlich nur einen Theil der nöthigen Vorkehrungen, die zum Schutze der Kunstwerke zu treffen sind. Die Hauptsache ist, zu verhüten, dass eine Herstellung überhaupt nöthig wird.“

Er betonte die schädlichen Auswirkungen von Temperaturschwankungen und feuchten Niederschlägen: „Im Beginn des Frühlings, wenn die warme Luft einströmt, sind die Wände und die Bilder kälter als die umgebende Luft, sie condensiren die Wassertheile aus dieser oder laufen, wie man sagt, an. Die Feuchtigkeit, die so niedergeschlagen wird, trübt nicht nur den Firniss, sondern bewirkt besonders ein Quellen und Biegen des Holzes, was in noch höherem Grade als die Temperaturänderung den Zusammenhang zwischen Farbdecke und Holz lockert, namentlich Bilder, die auf Holz und Kreidegrund gemalt sind, bei denen das Haften der Farbe heute ohnehin kein sehr festes mehr ist.“

Lippmann berichtete, man könne in Räumen mit Tafelgemälden ein beinahe unausgesetztes Knarren und Knistern des Holzwerkes hören, was dem Entstehen nahezu ebenso vieler kleiner Sprünge in den Bildern gleichkomme. Sein Lösungsvorschlag war, Verhältnisse zu schaffen, wo „die Temperaturausgleichungen in langsamerer und gleichmässigerer Weise stattfinden.“

Ein weiterer Schadensfaktor war für Lippmann der Staub vor allem in Großstädten. Durch seinen chemischen Aufbau, aber auch durch seine physikalische Zusammensetzung aus abgeriebenen Pflastersteinfragmente, verursache er großen Schaden. Die Wirkung abgeriebener Pflastersteinfragmenten verglich er mit jener eines Sandstrahlgeräts, das er auf der Weltausstellung als technische Neuerung zum Gravieren von Glas und Eisen gesehen hatte. Ebenso, wenn auch in sehr viel schwächerem Ausmaß, würden dadurch die Gemälde Schaden nehmen.

Schließlich formulierte Friedrich Lippmann eine Resolution, in der er eine speziell ausgebildete Kommission forderte, die die Restaurierung von Gemälden in öffentlichem Besitz anordnen, leiten und überwachen könne. Ohne ihre Zustimmung dürfe nichts restauriert werden. Weiters forderte er Ausbildungsstätten für die kunstwissenschaftliche und technische Ausbildung von Restauratoren. Am Ende des Tages wurde diese Resolution von den Kongressteilnehmern verabschiedet.

Ein weiterer Redner war der ehemalige außerordentliche Professor für Kunstgeschichte Moritz (Moriz) Thausing (1838-1884). Ursprünglich Germanist und Historiker, studierte er in Prag und kam 1858 an das Institut für Geschichtsforschung der Universität Wien, wo er auf Rudolf Eitelberger traf, damals Professor für Kunstgeschichte.

Lippmann hatte sich in erster Linie auf Leinwandgemälde und Tafelmalerei bezogen, Thausing widmete sich der „Erhaltung und Conservirung alter Zeichnungen und Kupferstiche“. Er betonte die steigende Bedeutung von Zeichnungen als Hilfsmittel für Analysen von Kunstwerken und kunstgeschichtlichen Darstellungen und zog eine Bilanz über die bisherigen Konservierungsarten.

Vasari hatte seine große Sammlung von Zeichnungen zur Bewahrung vollflächig in Alben geklebt (kaschiert). Diese Vorgehensweise war von vielen Sammlern übernommen worden. Thausing kritisierte, dass nun diese Alben vielfach auseinandergenommen würden, was für die Erhaltung nachträglich sei. Er plädierte für ein Belassen in der ursprünglichen Form.

Das Ausstellen einzelner Grafiken verglast in Rahmen verlange das gestiegene Interesse des Publikums, sei aber für die Konservierung nachteilig. Er schlug eine Aufbewahrung in vertieften Passepartouts vor und betonte die Schädlichkeit von Licht.

Als Beispiel einer gelungenen Konservierungspraxis nannte Thausing den Louvre. Hier würden nur unempfindliche Zeichnungen gerahmt ausgestellt, der Großteil befand sich in Mappen, zu denen nur sehr schwer Zutritt gewährt wurde. „Einige Hauptblätter aber der italienischen Meister, sowie auch mehrerer französischer und deutscher, hat man doch auch dem größeren Publikum zugänglich machen wollen und dieselben zu dem Zwecke in der sogenannten „salle des boites“ ausgestellt. Es ist wirklich Freude erweckend zu sehen, mit welcher Rücksicht man da zu Werke gegangen ist. Das Oberlicht des Saales ist mit Milchglas eingedeckt, zur Milderung der einfallenden Lichtstrahlen. Ausserdem aber befindet sich jedes Blatt in einem besonderen, verschliessbaren hölzernen Kästchen daher der Name des Saales an der Wand aufgehängt; diese Gehäuse werden blos an einem Tage der Woche während zweier Stunden geöffnet und keine Protection vermag daran etwas zu ändern.“

Als negatives Beispiel nannte Thausing die Uffizien in Florenz, wo die Zeichnungen ohne irgendwelche Schutzvorkehrungen im von Vasari geschaffenen Gang, der die Uffizien mit dem Palazzo Pitti verbindet, permanent ausgestellt würden und somit höchst gefährdet wären.

Auch die Qualität des Papiers für die Aufbewahrung sprach Thausing an:

„Nichts ist heute schwerer, als das für Conservirung von Kunstblättem geeignete Papier zu finden. Das Maschinenpapier, dessen
Auslaugung eine ganz unvollkommen ist, bleibt für dieselben stets gefährlich. Das ist allerdings eine Calamität. Wir bekommen kein gutes Seidenpapier und keine guten Cartons mehr; es würden sich aber wohl die Fabriken wieder dafür einrichten, wenn alle Sammler und Sammlungsvorstände in der Nachfrage einig wären.“

Damit sollte er Recht behalten, da heute aufgrund der großen Nachfrage ein breiter Markt für hochwertiges Papier zur Erhaltung der Kunstwerke vorhanden ist.

Alfred Woltmann (1841-1880) hielt einen Vortrag über die Konservierung von Baudenkmälern. Er war deutscher Kunsthistoriker und zur Zeit des Kongresses ordentlicher Professor der Kunstgeschichte am Polytechnikum in Karlsruhe. Wortmann plädierte für mehr Bewusstsein für die Erhaltung der Baudenkmäler. Es gäbe gesetzliche Bestimmungen und die „K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale“ in Österreich. Aber auch hier wurde Frankreich als Vorbild genannt, da dort der gesetzliche Schutz weitgreifend sei und die historischen Monumente vortrefflich dokumentiert würden.

„Ein historisches Monument wird dort vollständig betrachtet als Eigenthum der Nation. Man kann sich freilich nicht verhehlen, dass die Art und Weise, wie da in der Regel bei der Wiederherstellung alter Baudenkmäler vorgegangen wird, sehr gefährlich ist. Eine Restauration kommt da meist einem Neubau gleich, weil die leitenden Architekten Procente der Bausumme bekommen und es also in deren Interesse liegt, die letzteren möglichst hoch hinaufzutreiben.“

Woltmann sah eine Konkurrenz zwischen Architekten und Kunsthistorikern. Er sah Gefahr in Verzug, dass aufgrund der Macht des deutschen Architekten-Vereins die Kunstwissenschaft aus den Beratungen und Beschlüssen über notwendige Konservierungen oder Restaurierungen ausgeschlossen werde.

Theodor Gaedertz (1815-1903), Jurist und Kunsthistoriker in Lübeck, sprach zum Problem der Verglasung von Gemälden. Gaederzt meinte, die Verglasung von Gemälden würde eher Schäden hervorrufen, da die Probleme für ein Gemälde oft von der feuchten Wand bzw. Feuchtigkeitsschwankungen an der Rückseite kämen. Eine Verglasung gefährde zudem Gemälde im Fall direkter Sonneneinstrahlung, quasi ein Brennglaseffekt. Gaedertz plädierte für möglichst freie Luftzirkulation von allen Seiten, zudem sah er den ästhetischen Ausdruck eines Gemäldes durch Verglasung beeinträchtigt.

Ferenc (Franz) Pulszky (1814-1897), Direktor des National-Museums in Budapest, trug Folgendes vor:

„Die allerdauerhaftesten Denkmäler der Kunst scheinen wohl die metallenen zu sein, und doch sind diese viel eher dem Verderben ausgesetzt als viele andere; durchaus nicht aus schlechter Absicht, im Gegentheil, sie werden sehr häufig geputzt, viel zu häufig. lch würde es daher empfehlen, dass der Wunsch ausgedrückt wird, dass in Kirchen, bei den Capiteln und in den Domschätzen die silbernen und sonstigen metallenen Gegenstände nicht geputzt werden. Es ist viel besser, dass sie schwarz aussehen, als dass sie durch Putzen verdorben werden. Er brachte folgenden Antrag ein: Der Congress äussert den Wunsch, dass die kunstgeschichtlich wichtigen Metallgefässe, Emails und Goldschmiedarbeiten in den Kirchenschätzen etc. nicht ausgesotten und geputzt werden.“

Diesem Antrag wurde allerdings nicht stattgegeben, da befunden wurde, dass gewisse Gegenstände geputzt werden müssten, z.B. wenn sich Schimmel bildete. Das Thema sollte beim nächsten Kongress eingehend erörtert werden.

 

Nun meldete sich Karl Schellein (1820–1888) zu Wort. Er war Maler und Restaurator und zur Zeit des Kongresses Kustos und Schulleiter der von seinem Vorgänger Erasmus Engert (1796-1871) im Jahr 1867 gegründeten Restaurierschule im Wiener Belvedere. Lippmann hatte in seinem Referat massiv die Restaurierungen dieser Schule angegriffen, nun verteidigte Schellein den erst kürzlich verstorbenen Engert, der, den Anforderungen seiner Zeit entsprechend, restaurierte Gemälde „wie neu“ zurückgegeben hatte. Engert hätte das sehr wohl als falsch empfunden, sich aber nicht dagegen gewehrt. Schellein hätte schon zu Engerts Lebzeiten seine Meinung kundgetan, dass sich Restaurierung ausschließlich auf Erhaltung richten sollte. Nun wolle er das mit Unterstützung des neuen Direktors (Engert war auch Direktor des Belvedere gewesen) durchsetzen:

„Unsere Devise ist: Das Original ist heilig. Dass man in gewissen Fällen, wo ein Loch ist, das Loch nicht so lassen kann, versteht sich von selbst, man muss diese Stelle decken. Aber darüber hinauszugehen, selbst nur an einem Punkte, halte ich für Sünde.“

Selbst die Frage der Begrifflichkeit wurde beim Ersten Kunstwissenschftlichen Congress erörtert:

Carl von Lützow (1832-1897), Kunsthistoriker und Herausgeber des damals bedeutendsten deutschsprachigen Kunstjournals „Zeitschrift für Bildende Kunst“ mit dem Beiblatt „Kunstchronik“, meinte:

„Wir müssen erklären: Was wir fordern, ist Conservirung und keine Restauration. Wie unklar die
Begriffe hier sind, geht aus dem Ausspruche eines Vorredners hervor, der sagte: "Wiederherstellung des Vorhandenen“.“

Nach einiger Diskussion wurde folgende Formulierung angenommen:

„Der kunstwissenschaftliche Congress erachtet es für geboten, auszusprechen, dass den Denkmalen der Kunst gegenüber als erste Pflicht bei der Restauration Conservirung bezeichnet werde.“

Auch am dritten Tag des Kongresses wurde ein konservatorisch-restauratorisches Thema erörtert: das Pettenkofersche Regenerationsverfahren. Max von Pettenkofer (1818-1901) war Pharmazeut, Mediziner und außerordentlicher Professor für Chemie in München. Er entwickelte ein Verfahren, um getrübte Firnisse wieder transparent zu machen.

Restaurator Schellein schilderte das Verfahren, bei dem Gemälde mit Alkohol bedampft wurden, um einen trüben Firnis durch Verflüssigen des Harzes wieder transparent zu machen. Eine Folge davon war allerdings das Entstehen starker Risse und Sprünge (Craquelees) und das baldige Vergrauen des regenerierten Firnisses. Durch Zugabe von Copaivabalsam milderte Pettenkofer schließlich die schädigende Wirkung seines Regenerationsverfahrens.

Pettenkofer wurde wegen seiner Erfindung und vor allem auch, weil er die Zugabe von Copaiva-Balsam lange geheim hielt, unter anderem bereits von Erasmus Engert 1864 angegriffen. 1870 veröffentlichte Pettenkofer seine Erfahrungen in der Broschüre „Über Ölfarbe und Conservirung der Gemälde-Gallerien durch das Regenerationsverfahren“ (1870, Verlag Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig). Aufgrund der großen Nachfrage erfolgte 1872 ein gebundener Nachdruck.

Schellein sah das Pettenkofersche Regenerationsverfahren sehr differenziert. Pettenkofer sei der einzige gewesen, der wissenschaftlich an Restaurierungsverfahren herangegangen war. Aber sein Verfahren sei nur in einzelnen Fällen gut, in vielen Fällen geradezu schädlich. Es gebe eben keine Universalmittel. Zu den Pro- und Contra-Anmerkungen der Kongressteilnehmer meinte er: „Ich lege nicht auf das Mittel, sondern auf die Anwendung des Mittels einen Werth. Es kann mit dem unschuldigsten Mittel geschadet werden, wenn es am falschen Orte und ungeschickt oder unvorsichtig angewendet wird.“

Nach längerer Diskussion kamen die Kongressteilnehmer überein, dass für den nächsten Kongress keine Referenten zum Thema Regenerationsverfahren eingeladen würden, aber alle aufgefordert seien, in Galerien den Zustand restaurierter Gemälde zu begutachten und zu notieren.

Resümee:

Es ist Rudolf von Eitelberger zu verdanken, dass dieser Kongress 1873 im K.K. Museum für Kunst und Industrie stattfinden konnte. Er forcierte seine engsten Kollegen und Mitarbeiter als Redner und gab damit dem Kongress von Anfang an eine gewisse Richtung vor.

Zeitgleich zu diesem Kongress war die sehr prominente und anerkannte Restauratorengeneration von Viollet-le-Duc (1814-1879) in Frankreich und Friedrich Wilhelm Schmidt (1825-1891) in Österreich tätig. Beide Architekten führten relativ große Eingriffe im Rahmen von Restaurierungen durch. Es ging hier vielfach nicht um eine Konservierung, sondern um das Versetzen historischer Bauten in ein Erscheinungsbild, das als typisch gotisch oder typisch mittelalterlich galt, aber womöglich nie so war. Sie prägten somit sehr stark ein falsches Bild von Gotik und Mittelalter.

Womöglich wurde der Themenkreis beim Ersten Kunstwissenschaftlichen Congress hauptsächlich auf bewegliches Kulturgut bzw. museale Objekte beschränkt, um nicht öffentlich in Konflikt mit dieser Generation von Architekten-Restauratoren zu geraten.

Bei diesem Kongress wurden neue Gedanken vermittelt, die sich auf reine Konservierung und präventive Konservierung beziehen. Zudem gab es einen deutlichen Wunsch nach staatlicher Lenkung und einer angemessenen Ausbildung entscheidender Instanzen und Restauratoren. Diesem Wunsch wurde mit einer Zuständigkeitserweiterung der 1850 gegründeten „K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale“ auf Archive, Kunstdenkmäler und Archäologie im selben Jahr stattgegeben. Mit einem eigenen Budget für die Förderung von Restaurierungen konnte diese Instanz auch gewisse Vorstellungen umsetzen.

Alois Riegl (1858-1905), eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Österreichischen Denkmalpflege, war Universitätsprofessor und erster Generalkonservator dieser Zentralkommission, der Vorgängerinstitution des heutigen Bundesdenkmalamts. Auch seine Wurzeln liegen im Umkreis des K.K. Museums für Kunst und Industrie und des Gedankengutes dieses ersten kunstwissenschaftlichen Kongresses. Sowohl er als auch Franz Wickhoff (1853-1909), ein Mitstreiter Riegls, waren Schüler von Rudolf von Eitelberger und Moriz Thausing. Beide waren in der Textilsammlung des K.K. Museums für Kunst und Industrie tätig, Wickhoff von 1879 bis 1895 als Kustos, Riegl von 1886 bis 1897 als Kustosadjunkt und Referent. Diese jüngere Generation schaffte es schließlich, die Gedanken und Forderungen des Kongresses weiterzuspinnen und eine Umsetzung voranzutreiben.

Anzumerken ist noch, dass der zweite kunstwissenschaftliche Kongress erst 20 Jahre später, damals bereits Kunsthistorischer Kongress genannt, 1893 in Nürnberg stattfand. Die in den Protokollen klar formulierten Themenwünsche für den zweiten Kongress mussten also noch lange warten beziehungsweise sind sie nie in diesem Rahmen zur Sprache gekommen.

Kommentare

  • I appreciate you taking the time to write it, and I really hope you keep up the good work.

  • Das Thema Restaurierung wird leider viel zu oft auf die majestätische Kunst diskutiert, doch hat die Restaurierung viele Gesichter, so wie der Wert selbst sich nicht in Ketten legen läßt. Es gibt den emotionalen Wert, den Handelswert, den Sammlerwert, den Gebrauchswert, um nur einige Varianten des Wertes zu nennen. Ein Objekt wird aus mehreren Blickwinkeln betrachtet, je nachdem wer es betrachtet. Welchen Bezug er zu dem Objekt hat, welche Vorbildung er genossen hat, welcher Kultur oder welcher Klasse er angehört. Eines verbindet alle Objekte, der Gebrauch. Ob als Wertanlage, als Nutzgegenstand, als Demonstrationsobjekt des eigenen Status oder Erinnerung an Verwandte. Der Restaurator hat, wenn er seinen Beruf erlernt hat, die Aufgabe den Wert richtig ein zu schätzen und angepasst an die finanziellen Möglichkeiten der Kundschaft, das bestmögliche für das Objekt heraus zu arbeiten. Sei es die Wiederherstellung der Funktion, der Schönheit, des Wertes oder der Erhalt des Objektes in seiner möglichst originalen Form. Es gibt keinen idealen Weg der Restaurierung, der sich auf alle Objekte gleichermassen anwenden ließe. Das ist die Kunst der Restaurierung, der kreative Akt, der dem Restaurator obliegt. Die Verbindung aus handwerklichem Geschick, wertschätzenden Fähigkeiten, der Abwegung des Machbaren zur philosophischen Betrachtung, die Findung eines gangbaren Weges zwischen Ideal und Finanzierbarkeit. Es ist die immer wieder kehrende Suche nach dem auf das individuelle Objekt, Ihren Besitzer und die idealisierte Lehrmeinung abgestimmte Weg. Denn auch nicht königliche Kunst ist schützens und erhaltenswert und nicht jedes Kunstwerk, kann in den perfekt geschützen Archiven eines Museums oder Sammlers verschwinden. Auch sind Museen manchmal Fallen in denen Gegenstände nicht pfleglich behandelt werden, weil es an Mitteln fehlt, die fachliche Beratung mangelhaft ist, man im Glauben etwas gutes für die Besucher zu tun durch eine Zentralheizung mehr Schaden anrichtet, als es die Jahre geschafft hätten. Objekte müssen auch gefallen, damit sie nicht auf den Dachböden oder in Kellern zum sterben landen. Jedes Objekt hat seinen Wert, den es zu finden und zu schützen gilt. Ebenso hat jede Art der Restaurierung Ihren Wert, der durch die idividuelle Handschrift des Restaurators den Zeitgeist der Restaurierung wiederspiegelt. Ob Retusche, die das Original versucht bestmöglich zu rekonstruieren, ob reine Konservierung, ob Stareggio oder Punteggio, mit großen oder kleinen Punkten, einfärbig oder vielfärbig, ob unter Verwendung der Originalen Pigmente oder bewußtem Einsatz von modernen oder anderen Materialien, jeder Restaurierung geht eine Philosophie und eine Abwägung voraus, so wie der Maler selbst den Bildausschnitt, das Licht, das Motiv unterschiedlich sucht, ob er einfach aus sich heraus schöpfen kann, oder den Wünschen seiner Kundschaft gerecht werden muss.
    Mit freundlichen Grüßen Bernhard Hanreich

  • Laura Resenberg sagt:

    Ein sehr schöner und interessanter Blogbeitrag. Es ist erstaunlich zu lesen, wie differenziert die immer noch aktuellen Fragen der Konservierung und Restaurierung bereits damals diskutiert wurden.

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